Unbekannte römische Militäranlagen des späten 1. / frühen 2. Jhs. bei Hanau (Hessen) entdeckt
Ein weiteres Indiz für die Existenz einer älteren Limeslinie in der östlichen Wetterau
Anfang Juli 2001 wurde bei Erschließungsarbeiten für ein Neubaugebiet im Hanauer Ortsteil Mittelbuchen ein noch bis zu 1,80 m tiefer römischer Spitzgraben angeschnitten, der anschließend mit Sondagen über eine Länge von 210 m nachgewiesen werden konnte. Das aus der Grabenverfüllung geborgene Fundmaterial (u.a. ein Ziegelstempel der legio XXII) datiert dessen Aufgabe frühestens in das erste Jahrzehnt des 2. Jhs. n.Chr. Im Zuge der umgehend eingeleiteten archäologischen Untersuchungen kamen dann überraschend weitere römische Spitzgräben zutage.
Derzeit können in Mittelbuchen mindestens vier verschiedene römische Militäranlagen sicher nachgewiesen werden. Neben dem schon eingangs erwähnten längeren Grabenabschnitt, dessen Ecken außerhalb des Baugebietes liegen, wurden ein wohl nur kurzfristig besetzes Marschlager unbekannter Größe sowie zwei längerfristig besetzte Kleinkastelle erfaßt. Beide Kleinkastelle waren, im Gegensatz zu den beiden anderen Anlagen, mit Doppelgräben umgeben. Spuren der Innenbebeauung haben sich leider fast überhaupt nicht erhalten, da aufgrund von Erosion ein z.T. erheblicher Bodenabtrag stattfand.
Erst eines der beiden Kleinkastelle konnte bisher in größeren Teilen untersucht werden. Von dem ca. 40 mal 40 m großen Stützpunkt wurden noch die vier Pfostenstandspuren des hölzernen Torturmes, die Verfüllung einer Latrine sowie eine weitere, nicht näher ansprechbare Grube angetroffen. Das meiste Fundmaterial stammt jedoch aus den beiden ehemaligen Kastellgräben: neben einem As des Vespasian für Titus Caesar aus dem Jahr 74 n.Chr. wurden dort u.a. ein beinerner Würfel, eine Pilumspitze, Schuhnägel, eine Bronzeglocke sowie umfangreiches Keramik- und Knochenmaterial geborgen. Die Keramik, insbesondere die südgallische Terra Sigillata, legt eine Datierung der kleinen Schanze in die Zeit zwischen 80-100 n.Chr. nahe. Sie ist nach derzeitigem Kenntnisstand die älteste Anlage am Ort. wann das benachbarte zweite Kleinkastell entstand, ist vorerst noch unklar.
Der mindestens 210 m lange Grabenabschnitt dagegen dürfte mit einiger Sicherheit die jüngste militärische Bautätigkeit am Platz darstellen. Darauf deuten nicht nur der eingangs erwähnte Ziegelstempel sondern auch entsprechende Terra Sigillata-Scherben aus trajanischer Zeit hin.
Seine besondere Bedeutung erhält der neu entdeckte römische Militärplatz durch den Umstand, daß dieser sich problemlos in eine Reihe von spätflavischen Kastellen einfügt, die auf einer annähernd parallelen Linie ca. 5-8 km hinter der allgemein bekannten Limeslinie liegen. In einem Abstand von ca. 5,5 km von Mittelbuchen entfernt befinden sich im Norden die seit längerem bekannten Kastelle von Heldenbergen während 5,5 km südlich das römische Kastell Hanau-Salisberg liegt. Die Annahme einer älteren Limeslinie hat. Da im weiteren Verlauf nach Norden und nach Süden weitere Militärlager bekannt sind, hat die Annahme einer älteren Limeslinie viel für sich. Diese Vermutung wurde bereits gegen Ende des 19.Jhs. von Georg Wolff ausgesprochen, seither aber immer wieder in Zweifel gezogen. Mit den jüngst entdeckten Kastellen von Hanau-Mittelbuchen dürfte die existenz eines älteren Wetteraulimes, der um 110 n.Chr. weiter nach Osten auf die Linie Großkrotzenburg-Rückingen-Marköbel vorgeschoben wurde, endgültig gesichert sein. Die Ausgrabungen vor Ort dauern wegen der rasch voranschreitenden Bauarbeiten noch voraussichtlich bis zum Jahresende an.