Troia ante portas
Große kulturhistorische Ausstellung in Stuttgart eröffnet
"Troia – Traum und Wirklichkeit", so heißt die Ausstellung, die am Samstag, den 17.März 2001 von Bundespräsident Johannes Rau und dem türkischen Staatspräsident Ahmet Necdet Sezer eröffnet wurde. Archäologie Online war neugierig und deshalb schon zur Pressekonferenz am 15.3. in Stuttgart. Hier unsere Eindrücke von der "Ausstellung der Superlative"!
Der Mythos lebt: Weit über 200 Journalisten und Journalistinnen hatten sich zwei Tage vor der Eröffnung eingefunden, um die „Macher“ zu treffen und um erste Eindrücke von der Ausstellung zu bekommen. Den Fragen der Presse stellte sich unter anderem Prof. Dr. Manfred Korfmann, der Wissenschaftliche Leiter der Ausstellung und des Troia-Projektes der Universität Tübingen. Der durch seine Ausgrabungen und Forschungen in Troia berühmt gewordene Korfmann war der gefragteste Gesprächspartner an diesem Tag und bekannte freimütig, daß in dieser Ausstellung und v.a. im begleitenden Katalog „viel Herzblut drinstecke“.
Besonders hervorgehoben wurde von allen Rednern die gute Zusammenarbeit mit den zuständigen Stellen in der Türkei. Der türkische Generalkonsul Funda Tezok erhoffte sich durch die Kooperation rund um die Ausstellung eine Intensivierung des Verständnisses zwischen der türkischen und deutschen Gesellschaft und kündigte an, die Ausstellung auch in der Türkei der Öffentlichkeit zugänglich machen zu wollen. Klaus von Trotha, Minister für Wissenschaft, Forschung und Kunst in BW fühlte sich im Glanz des antiken Mythos sichtlich wohl, ebenso wie der Vorstandsvorsitzende des Hauptsponsors Landesbank Baden-Württemberg Hans Dietmar Sauer. Die LBW beteiligte sich nicht nur maßgeblich an den Ausstellungskosten von 4,2 Mio. DM, sie stellte auch ihre beeindruckenden Räumlichkeiten in Stuttgart für die Präsentation des „Mythos Troia“ zur Verfügung.
Für die Verantwortlichen der Ausstellungsorte waren Prof. Dr. Dieter Planck (Stuttgart), Direktor des Archäologischen Landesmuseums Baden-Württemberg, das für die Projektleitung der Ausstellung verantwortlich zeichnet, und Gerd Biegel M.A. (Braunschweig) anwesend.
Die Troia-Ausstellung präsentiert sich in Stuttgart auf 1500m² Fläche mit mehr als 800 Exponaten von 112 Leihgebern aus 14 Staaten. Somit ist allein schon aufgrund der numerischen Tatsachen die Bezeichnung „Ausstellung der Superlative“ sicher nicht übertrieben.
Das Konzept läßt sich grob mit „Ein Buch und seine Folgen“ umreißen: Wie Prof. Planck betonte, handelt es sich nicht um eine archäologische, sondern um eine kulturhistorische Ausstellung.
Der „Mythos Troia“ wird durch eine Folge von 12 Bildern vorgestellt, deren Inhalte dem Titel „Traum und Wirklichkeit“ Rechnung tragen sollen. Die zwei angesprochenen „Sphären“ sind in verschiedenen Räumen untergebracht, wie Prof. Planck in einem Gespräch mit Archäologie Online erklärte: Es finden sich 7 (Themen-) Bilder, die den Bereich „Traum“ präsentieren, im Erdgeschoss des LB-Forums, während die Bilder 8 bis 10 im Obergeschoss die archäologischen „Fakten“ vorstellen. Die Bilder 11 und 12 stellen eine Art Synthese und Ausblick dar.
Plan der Ausstellung mit den 12 »Bildern«:
- Der Ort und die Landschaft
- Der Dichter und sein Werk
- Vom Wort zum Bild
- In der Mitte eines Weltreiches
- Was nicht in der Bibel steht
- Von Vergil zu Homer
- Die Ilias lesen
- Die Suche nach Troia
- Die Anatomie eines Hügels
- Rundgang durch Troia
- Troia - Traum und Wirklichkeit
- Troia unendlich
Gang durch die Ausstellung - Impressionen
Bild 1: Der Ort und die Landschaft
Nun tauchen wir ein in den Mythos Troia – stimmungsvolle Landschaftsbilder machen Hoffnung, daß das Bevorstehende den Zauber und die Magie von Troia, die immer zwischen den Zeilen von TV - Dokus und Berichten mitschwingen, vermitteln kann.
Bild 2: Der Dichter und sein Werk
Am Anfang war Homer. Im zentralen Rund des Forums der LBW bekommen wir ihn zu Gesicht: Zwei Homerbüsten zieren den Raum, der durch ein Lochgitter begrenzt wird und trotz dieser lichten Umhegung einen ersten Eindruck der Gewichtigkeit und Folgenschwere des Mythos erahnen läßt. Eine Einführung zur Geschichtlichkeit der Ilias findet sich in dem abgedunkelten Raum auf zwei ca. 1m x 2m hohen Leuchttafeln, die zusammen mit Textprojektionen Licht in das Dunkel bringen. Umrahmt wird dieser zentrale Raum von mehreren stelenartig aufgestellten schmalen Flächen, die teilweise mit Auszügen aus der Ilias beschriftet sind.
Vom gestalterischen Aspekt ausgehend ist mit diesem Raum eindeutig die beste Umsetzung des vorgegebenen Bildes gelungen. Ob diese Wirkung jedoch bei prall gefüllten Räumlichkeiten immer noch zu Entfaltung kommt, muß abgewartet werden.
Bild 3: Vom Wort zum Bild
Anhand einer großen Anzahl griechischer Vasen wird die frühe künstlerische Umsetzung und Ausschmückung in der Antike von Homer´s Troia demonstriert. Die Vasen befinden sich in Dreieck-Vitrinen in einem Halbrund um den zentralen Raum der Ilias und führen zu Bild 4: In der Mitte eines Weltreiches, das die Verbindung zwischen Rom und Troia erläutert. Das Nationalepos der Römer, die Aeneis von Vergil, greift auf den Mythos Troia zurück. Eine weitere Verbindung wird mit dem Abbild des Odeion, dem kleinen Theater, geschaffen, das möglicherweise für die Erstrezitation der Aeneis errichtet wurde.
In Bild 5: Was nicht in der Bibel steht trennen sich die Wege des existierenden Ortes Troia und der Rezeption des Sage. Verschiedene Handschriften dokumentieren die Rezeption des Mythos im Frühmittelalter und Mittelalter, hervorzuheben ist die Handschrift Sultan Mehmets II. Der Eroberer von Konstantinopel (1453) wähnte sich als Rächer der Stadt Troia und ihrer Einwohner, nach dem Koran war die Ilias das Buch, auf welches sich sein Selbstverständinis stützte.
Die Handschriften werden eher traditionell in einer vollständig umgehbaren großen Vitrine präsentiert, eine Dia - Projektion simuliert das Durchblättern eines solchen Werkes.
Die Bilder 6: Von Vergil zu Homer und 7:Die Ilias lesen nehmen den Faden der vorhergehenden Bilder auf und zeigen u.a. anhand von Druckgrafiken und Gemälden die künstlerische Umsetzung von Homers Troia. Im 17. und 18. Jahrhundert wurde der Mythos pracht- und prunkvoll in Szene gesetzt. Ein so gelungener Dialog zwischen Bildthema und Raumgestaltung wie bei Bild 2 ist in diesen letztgenannten Bereichen der Ausstellung nicht zu bemerken.
Im Obergeschoss des Forums nun die „Wirklichkeit“: Die archäologischen Fakten sollen zeigen, was vom Mythos Troia übrig bleibt.
Bild 8: Die Suche nach Troia führt uns von den ersten Ausgrabungen Heinrich Schliemanns (1870 – 1890) über Dörpfeld (1893-1894) und Blegen (1932 -1938) bis zu den heutigen Ausgrabungen unter Korfmann (seit 1988) und seinem internationalen Team. An drei Wänden montiert überrollt ein Mosaik von Fotografien, Plänen und Texttafeln, viele davon im DIN A4 Format, den Besucher: Die Mannigfaltigkeit der Eindrücke, die das Gehirn überschwemmen, spiegelt die wechselhafte Forschungsgeschichte wieder, die nicht nur einen ständigen Blanceakt zwischen Mythos und handfesten Erdarbeiten zeigt, sondern auch weitreichende Entscheidungen dokumentiert, die bis heute die Politik bewegen: z.B. das Thema Rückgabe von Kunstschätzen.
Nun heißt es schnell um die Ecke biegen, auf in die prallgefüllte Schatzkammer des einstigen Lebens in Troia ... doch langsam, zuerst erfolgt eine Einführung in die Stratigraphien Troias.
Bild 9: Die Anatomie eines Hügels
Eindrucksvoll und gut nachvollziehbar erläutern verschiedenen Modelle den Aufbau und die Chronologie der Schichten. Eine „Schaukastenreihe“, die jedoch ein sehr nahes Herantreten an die Vitrine erfordert, was bei den zu erwartenden Publikumsmassen problematisch sein dürfte, gibt erste Eindrücke der Phasen vom Chalkolithikum bis Troia X.
Das Erste, was uns im Halbrund des Obergeschosses auffällt, sind die Monitore, die in regelmäßigen Abständen über den Vitrinen montiert sind und den Ausgräber Korfmann bei einer Führung über die Ausgrabungen zeigen. Darunter befindet sich eine große, halbrunde Vitrinenwand, die der Vorgabe des Raumes folgt und die Artefakte der Ausgrabungen präsentiert. Ob das hoheitsvolle Verbeugen vor den Hinterlassenschaften der Troianer miteingeplant war, wissen wir nicht: Jedoch muß fast jeder Besucher den „Buckel krumm machen“, um Keramiken, Werkzeuge, Waffen und Schmuck genauer betrachten zu können. Zwischen den Monitoren und den Vitrinen befindet sich ein erläuternder Text zu den einzelnen Vitrinenabschnitten, in dem die Thematik des Gezeigten näher erläutert wird.
Die einzelnen Themen sind sowohl phaseologischer Natur, z.B. Die Anfänge, Troia I oder Erste Blüte, Troia II/III, wie auch thematisch orientiert, z.B. Macht und Kultur. Die ausgestellten Artefakte gehören der gesamten Bandbreite des archäologischen Fundspektrums an: Von großen Vorratsgefäßen mit plastischer Verzierung über kultische Miniaturstreitwagen bis hin zu Pfeil- und Lanzenspitzen wird dem Besucher gezeigt, was Archäologen so alles „unter die Kelle“ kommen kann.
Wer den sogenannten Schatz des Priamos (Schatz A) erwartet hat, wird enttäuscht werden. Die Schmuckstücke befinden sich im Puschkin Museum in Moskau, und es wäre sicher illusorisch zu erwarten, diese Goldobjekte bald außerhalb Moskaus zu sehen. Zu den Highlights unter den Funden gehört der Schatzfund C (um 2400 BC) sowie ein Bronzesiegel mit luwischer Hieroglypheninschrift (um 1150 BC).
Abgeschlossen wird die Ausstellung von Beispielen der Troiarezeption des 20. Jh., in denen oft das Troianische Pferd in Mittelpunkt steht – und somit schließt sich der Kreis: Von demselben in einer 15,5 m hohen Ausführung wird der Besucher vor dem Forum begrüßt.
Resümee
Ohne Zweifel wird die Ausstellung „Troia – Traum und Wirklichkeit“ ein Besuchermagnet: Wie die Sindelfinger Zeitung am 19.3. berichtete, mußten die Besucher am Sonntag bis zu eine Stunde Wartezeit in Kauf nehmen, zeitweise wurde die Ausstellung sogar geschlossen.
Interessant dürfte die Ausstellung auch für Personen sein, die sich für Konzeption und Realisierung thematischer Ausstellungen interessieren, sowie für den Unterschied zwischen beidem: Ist die Troia – Ausstellung Ihrem Anspruch gerecht geworden?
Es scheint fast, daß auch in diesem Falle die Macht des Mythos Troia die Oberhand behält. Homers Troia steht eindeutig im Mittelpunkt dieser kulturhistorischen Ausstellung, die als eine Art Rezeptionsgeschichte der Ilias angesehen werden kann. Was im Thema „Traum“ durchaus beabsichtigt war, setzt sich im Obergeschoß der Ausstellung, der „Wirklichkeit“ fort. Die Forschungsgeschichte und die Exponate haben sich der Frage nach dem Troia Homers unterzuordenen. Und hinter der Ilias und den ganzen Funden bleiben die Menschen der damaligen Zeit und ihr tägliches Leben zurück: Was haben Sie gearbeitet? Was haben Sie gegessen und was für ein Verhältnis hatten Sie wohl zu den TrägerInnen des Goldschmuckes? Das oft traditionelle Ausstellungskonzept, das die Besucher vielleicht manchmal etwas überfordert, z.B. Bild 8, macht es nur schwer möglich, den Alltag der Menschen in Troia nachzufühlen. Man mag nun sagen, daß dies wahrscheinlich auch nicht das primäre Ziel der Ausstellungsmacher gewesen sei, jedoch sind wir der Meinung, daß zur „Wirklichkeit“ des Mythos vor allem Menschen gehören, die nicht allmorgendlich ihr Golddiadem zurechtrücken mußten.
Was bleibt ist die Gewissheit, daß Homers Troia wirklich existiert hat, und – natürlich – die Magie des Mythos.
Termine
Stuttgart
17.3.2001 - 17.6.2001
Forum der Landesbank Baden-Württemberg
Mo. 14:00 - 18:00; Do. 10:00 - 21:00; Di., Mi., Fr., Sa., So. u. Feiertage 10:00 - 18:00.
Braunschweig
14.7.2001 - 14.10.2001
Herzog Anton-Ulrich-Museum
Bonn
16.11.2001 - 17.02.2002
Kunst-und Ausstellungshalle der Bundesrepublik Deutschland