Der Preis der Sicherheit
Zu den Bau- und Unterhaltskosten einer römischen Militärgrenze
Der obergermanisch-raetische Limes zählt heute zu jenen antiken Grenzsystemen, die hinsichtlich ihrer Geschichte, ihrer baulichen Anlagen und ihrer dort stationierten Truppen vergleichsweise gut erforscht sind. Informationen zu der Frage, welche Summen die römische Staatskasse alljährlich für den Unterhalt einer solchen Militärgrenze aufzubringen hatte, lassen sich aus heutiger Sicht dagegen nur schwer gewinnen. Dass die Grenzprovinzen des Imperium Romanum wegen ihrer erheblichen Aufwendungen für die militärische Sicherung in finanzieller Hinsicht meist "Zuschussregionen" waren, belegen auch entsprechende Angaben von antiken Schriftstellern wie etwa Sueton oder Tacitus. Die gewaltigen finanziellen Aufwendungen schienen aus römischer Sicht nur dann rentabel, wenn in den rückwärtigen Gebieten weitere Binnenprovinzen von diesem Sicherheitssystem profitierten. Dies war im Falle des obergermanisch-raetischen Limes vor allem Gallien, aber auch Italien selbst. Entfiel diese wichtige Voraussetzung - etwa bei der militärisch stark gesicherten, aber isoliert liegenden Provinz Britannien - dann überstiegen die Militärausgaben rasch jene finanziellen Vorteile, die Rom aus dem Besitz des betreffenden Territoriums zog. Es mag daher nicht überraschen, dass man schon kurz nach der Eroberung Britanniens wieder ernsthaft über die Räumung der Insel nachdachte, da das Steueraufkommen und die Ausbeutung der dortigen Bodenschätze bei weitem nicht die anfallenden Militärkosten deckten. Die Frage nach der Ertragsfähigkeit neuer Provinzen spielte auch in der Folgezeit eine nicht zu unterschätzende Rolle in der römischen Politik: so dürfte etwa die unter Hadrian erfolgte Aufgabe der erst kurz zuvor eroberten, aber offenkundig unrentablen Provinz Mesopotamien nicht zuletzt aus finanzpolitischen Überlegungen heraus erfolgt sein.
Bei dem obergermanisch-raetischen Limes jedoch scheinen derartige Erwägungen nie zur Disposition gestanden zu haben. Zumindest zeigt die partielle Vorverlegung einzelner Streckenabschnitte sowie der stetige Ausbau der dortigen Anlagen, dass sich die vorgenommenen (sicher nicht unbeträchtlichen) Investitionen für Rom offenbar lohnten. Doch welche Summen waren für den Unterhalt einer solchen Grenze erforderlich?
Der Löwenanteil der Kosten entfiel ohne Zweifel auf die Besoldung der in den zwei Provinzen stehenden Truppen. Um die Mitte des 2. Jhs. n.Chr. waren dies zunächst die beiden in Mainz und Straßburg stationierten Legionen mit etwa 11.000 Soldaten. Am Limes selbst standen damals Hilfstruppenverbände in einem Umfang von etwa 35 Alen und Kohorten, deren Zahl insgesamt mit mindestens 18.000 Mann veranschlagt werden muss. Berücksichtigt man ferner noch die kleineren Numerus-Verbände, deren personeller Umfang aber kaum mehr als 2000 Soldaten betragen haben dürfte, dann scheint die Zahl von 30.000 Soldempfängern keinesfalls zu hoch gegriffen.
Da der einfache Legionär in der mittleren Kaiserzeit ein Jahressalär von 300 Denaren erhielt, lässt sich der Unterhalt der Mannschaftsdienstgrade einer Legion mit insgesamt etwa 1.650.000 Denaren beziffern. Hinzu kamen dann noch die z.T. erheblich besser besoldeten Unteroffiziers- und Offizierschargen - die 60 Centurionen etwa bezogen, je nach ihrer Rangstellung, Gehälter zwischen 4.500 und 18.000 Denaren. So dürften allein die Personalkosten einer römischen Legion pro Jahr mindestens bei zwei Millionen Denaren gelegen haben. Zum Vergleich sei erwähnt, dass das jährliche Durchschnittsgehalt eines männlichen Erwerbstätigen damals etwa 200 Denare betrug. Für den Preis von 300 Denaren wurde im Jahr 159 n.Chr. im dakischen Alburnus Maior (heute Rumänien) die Hälfte eines Hauses verkauft.
Mit jährlichen Bezügen von jeweils 250 Denaren waren die am Limes stationierten Hilfstruppensoldaten für die Staatskasse kaum kostengünstiger als die Legionäre. Da sich allein schon deren Grundgehälter zu dem stattlichen Betrag von etwa 5 Millionen Denaren summierten, muss der tatsächliche Unterhaltsbetrag noch erheblich über diesem Wert gelegen haben, da auch hier die besser besoldeten Reiter, die Unteroffiziers- und Offiziersstellen noch nicht berücksichtigt sind. Insgesamt scheint die Bezahlung der um die Mitte des 2. Jhs. in Obergermanien und Raetien stehenden Soldaten (Legionäre und Hilfstruppensoldaten) alljährlich die Bereitstellung von mindestens 10 Millionen Denaren erfordert zu haben. Doch diese Summe berücksichtigt lediglich die Festgehälter der Militärangehörigen.
Zu diesen fixen Kosten kamen dann nämlich noch unregelmäßige Sonderzuwendungen (praemia), die z.B. beim Regierungsantritt eines Kaisers an die Truppe ausgezahlt wurden. Außerdem stellten die nicht unbeträchtlichen finanziellen Abfindungen von jeweils 3000 Denaren, mit denen die Soldaten nach ihrer Dienstzeit in den Ruhestand entlassen wurden, einen weiteren großen Kostenpunkt für die Staatskasse dar. Zusätzliche Ausgaben im Personalbereich entstanden schließlich durch die Lebensmittelversorgung des Heeres, insbesondere durch die Bereitstellung von gewaltigen Getreidemengen für das Militär.
Die finanziellen Aufwendungen für den Unterhalt des stehenden Heeres sind damit aber noch keineswegs vollständig erfasst. Bei den berittenen Truppenteilen musste ständig der Pferdebestand mit neuen jungen Tieren ergänzt werden, wobei nicht nur deren Beschaffung, sondern auch deren Haltung größere Kosten verursachte. In welchem Umfang die Versorgung der mehreren tausend Pferde mit Heu, Hafer und Gerste von staatlichen Gutsbetrieben erfolgte bzw. als Steuerleistung von der örtlichen Bevölkerung eingezogen wurde, ist unklar. Eine Inschrift aus Nordafrika, die den Einsatz von Legionssoldaten bei der Heuernte überliefert, zeigt aber das Bemühen der Armee, auch in diesem Bereich die Kosten für die Staatskasse möglichst gering zu halten. In dieselbe Richtung weisen auch mehrere inschriftlich belegte Weideflächen verschiedener Legionen.
Neben den unmittelbaren Ausgaben für die Soldaten und den zugehörigen Bestand an Pferden, die fraglos den größten Posten innerhalb des Militärhaushaltes einnahmen, schlugen aber auch noch andere Ausgaben zu Buche. Der Bau und der Unterhalt der Kastelle, der Militärbäder und der über 900 Wachttürme am Limes wurde zwar weitestgehend mit in Eigenregie hergestellten Baumaterialien und eigenen Arbeitskräften ausgeführt, doch dürften Ankäufe von bestimmten Rohmaterialien, etwa Eisen (für Nägel, Beschläge, usw.), unumgänglich gewesen sein. Wie sparsam aber die römische Armee mit Baumaterialien umging, ließ sich bei der Vorverlegung des obergermanischen Limes um 161 n.Chr. beobachten. Neuere Untersuchungen zeigten nämlich, dass man damals die alten Militärbäder regelrecht demontiert, die Ziegel nach Möglichkeit unbeschädigt geborgen und anschließend an die neuen Standorte transportiert hat. Der heereseigene Betrieb von Steinbrüchen, Kalkbrennereien und Ziegeleien bis hin zum Einsatz von Holzfällerkommandos macht ebenfalls deutlich, dass man auf eine größtmögliche Kostenbegrenzung bedacht war. Welche finanziellen Aufwendungen bei der Errichtung z.B. eines neuen Kohortenkastells schließlich erforderlich waren, hing im Einzelfall von vielen unterschiedlichen Faktoren ab. Unter Umständen konnte allein schon die Standortwahl bei einem Lagerneubau Kosten verursachen, wenn das betreffende Gebiet bereits römisches Territorium war und sich in Privatbesitz befand. Die Beschlagnahmung der betreffenden Grundstücke für das Militär, wie unter Kaiser Domitian belegt, dürfte in solchen Fällen wohl eher die Ausnahme dargestellt haben. Die Bauinschriften von neu errichteten Legionslagern oder Kohortenkastellen zeigen ferner, dass die Entscheidung über solche Projekte nicht vom Statthalter der jeweiligen Provinz, sondern in Rom selbst getroffen wurde. Lediglich die Instandhaltung der Bauwerke fiel dann in die Kompetenz des legatus Augusti pro praetore. Die zentralistische Militärbaupolitik, die eng mit der Truppendislokation verknüpft war, dürfte in erster Linie auf militärisch-strategische Gründe zurückzuführen sein. Eine wirksame Kontrolle der Baukosten, die (gerade im zivilen Bereich) nicht selten die ursprünglichen geplanten Summen deutlich überstiegen, lag aber mindestens ebenso im Interesse Roms.
Die Ausgaben Roms für die Sicherheit seiner Militärgrenzen erstreckten sich jedoch nicht nur auf den Unterhalt der baulichen Anlagen und die Besoldung der dort stationierten Truppen. Ein wesentlicher Bestandteil des römischen Sicherheitskonzeptes war die direkte oder indirekte politische Einflussnahme auf die im Vorfeld der Grenze siedelnden Bevölkerungsgruppen. Allgemein praktiziert wurde die Zahlung von Geld- oder Sachleistungen an die lokalen Würdenträger der einzelnen Stämme, deren oftmals erkaufte romfreundliche Haltung wesentlich kostengünstiger war als eine militärische Durchsetzung der eigenen Interessen.. Wie penibel der römische Staat aber auch über diese Ausgaben im diplomatischen Bereich achtete, zeigt ein im Jahre 208 n.Chr. verfasster Papyrus, der in der römischen Grenzfestung Dura Europos am Euphrat in Syrien gefunden wurde. Es handelt sich dabei um die Kopie eines Briefes, der vom syrischen Statthalter Marius Maximus an seinen Finanzprokurator Minicius Martialis gesandt worden war. Darin enthalten war die Anweisung, fünf namentlich genannten Militärstützpunkten Finanzmittel zu bewilligen, die zum Kauf von Gastgeschenken für eine in Kürze durchreisende persische Gesandtschaft verwendet werden sollten. Um einer Zweckentfremdung des Geldes vorzubeugen, bat der Statthalter ferner, ihm die Höhe der jeweils bewilligten Summen mitzuteilen. Abschriften dieses Briefes wurden schließlich an die fünf betroffenen Lagerkommandanten zur Kenntnisnahme geschickt. Ähnliche Vorgänge dürften auch am obergermanisch-raetischen Limes stattgefunden haben, auch wenn sich aufgrund der klimatischen Verhältnisse solche Schriftzeugnisse praktisch nirgendwo erhalten haben.
Die hier nur kurz skizzierten Ausgabenposten lassen bereits die finanzielle Größenordnung erahnen, die die Sicherheit des römischen Imperiums erforderte. Schätzungen ergaben, dass im späten 1.Jh.n.Chr. die Militärausgaben knapp unter der Grenze von 200 Millionen Denaren lagen und einen Anteil von etwa 75-80% an den gesamten Staatsausgaben hatten! Nicht weniger beeindruckend ist aber auch das immer wieder erkennbare Bemühen, beim Einsatz der Finanzmittel stets die größtmögliche Effektivität zu erzielen.
Literatur
- R.O.Fink, Roman Military Records on Papyrus. Philol.. Monogr Am. Assoc. 26 (Princeton 1971).
- A.Mocsy, Die Expansionsfrage im 1. und 2. Jh. und die Ertragsfähigkeit der Grenzprovinzen. In: Ders., Pannonien und das römische Heer. Ausgewählte Aufsätze. MAVORS. Roman Army Researches Vol.VII (Stuttgart 1992) 8-18.
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- A.Thiel, Hadrianische Ziegel von antoninischen Kastellplätzen in Obergermanien. Roman Frontier Studies 1997. Procedings of the XVIIth International Congress of Roman Frontier Studies (Zalau 1999) 565-570.