An der Schwelle von der Antike zum Mittelalter
Zur Archäologie der Alamannen am Oberrhein
Das Oberrheingebiet war in frühalamannischer Zeit und in der Merowingerzeit Grenz- und Kontaktraum zum spätrömischen beziehungsweise fränkischen Herrschaftsbereich. Deshalb war es im 3. bis 8. Jahrhundert weit stärker einem kulturellen und politischen Einfluß ausgesetzt als die alamannischen Kerngebiete östlich des Schwarzwaldes.
I. Zwischen römischer Herrschaft und der Einbeziehung in das fränkische Reich
Römische Geschichtsschreiber berichten, daß bereits seit dem beginnenden 3. Jahrhundert Germanengruppen in das römische Reichsgebiet zwischen Rhein und Neckar eingedrungen waren. In Folge wird der obergermanisch-rätische Limes aufgegeben sowie die spätrömische Grenze im 4. Jahrhundert an den Rhein zurückverlegt und mit Kastellen wie auf dem Breisacher Münsterberg und auf dem Sponeckfelsen bei Jechtingen gesichert. Das ehemalige römische Dekumatland wird seit dieser Zeit von Alamannen besiedelt. Durch den römischen Geschichtsschreiber Ammianus Marcellinus sind wir von kriegerischen Auseinandersetzungen sowie von vertraglich geregelten Beziehungen zwischen dem römischen Reich und den germanischen Stammesverbänden im 4. Jahrhundert unterrichtet.
Mittlerweile sind zahlreiche ländliche Siedlungsplätze der frühen Alamannen im Breisgau entdeckt worden. In den letzten drei Jahren konnten in Vörstetten, zehn Kilometer nördlich von Freiburg gelegen, Siedlungsstrukturen aus dem 4./5. Jahrhundert auf einem Hektar Fläche ausgegraben werden. Neben vier großen Pfostenbauten, vermutlich Wohn- und Stallgebäude, konnten unter anderem zwei Brunnen, ein Speicherbau, zwei ofenartige Befunde und sogar frühalamannische Eisenverhüttung nachgewiesen werden.
Bei der kleinen Gräbergruppe von Wyhl aus der ersten Hälfte des 5. Jahrhunderts handelt es sich offensichtlich um Germanen, die als römische Föderaten hier die Grenze sicherten. Ein Mann war mit einem Schwert aus einer römischen Waffenfabrik Nordgalliens bestattet, während in den Frauengräbern römische Gläser und Keramikgefäße neben germanischen Fibeln und Perlen vorkommen.
Es ist anzunehmen, daß in der Nähe der frühalamannischen Grabfunde auch die Hofstellen lagen wie beispielsweise in Mengen (vgl. Beitrag Geuenich). Dort wurden Körpergrabfunde von zwei Frauen ca. 100 m südlich der gleichzeitigen Hofstelle entdeckt. Die Formen und Verzierungen der handgeformten Keramik aus diesen Gräbern haben ihre Tradition im elbgermanischen Raum, dem Herkunftsgebiet der Alamannen. Einzelne Funde von Mengen weisen darauf hin, daß auch Brandbestattungen angelegt wurden. Da man bisher nur vereinzelt Körpergräber gefunden hat, wurden die Toten hier vermutlich auch noch überwiegend brandbestattet, wie dies in den Herkunftsgebieten der Alamannen üblich war.
II. Besiedlungsrückgang oder alamannischer Exodus?
Aus der 2. Hälfte des 5. Jahrhunderts gibt es am Oberrhein bisher keine Siedlung und nur drei einzelne Gräber. Deshalb wird vermutet, daß die Alamannen nach dem Ende des römischen Reiches zu großen Teilen ins Elsaß und in die Nordschweiz abgewandert seien. Aber auch dort sind die Besiedlungsanzeiger sehr gering. Vermutlich klafft hier noch eine Forschungslücke, da nur sehr wenig Siedlungen großflächig ausgegraben sind und andererseits die oft nur einzeln oder in kleinen Gräbergruppen bestatteten Germanen dieser Zeit nicht so leicht zu entdecken sind, in Gegensatz zu den großen Reihengräberfeldern. Vielleicht spielte in diesem Zusammenhang auch die politisch wechselvolle und kriegerische Zeit eine Rolle. Jedenfalls melden uns die historischen Quellen kriegerische Expansionen verschiedener germanischer Stämme, auch von den Alamannen.
Zu dieser Zeit ist bei den einzelnen Grabfunden ein donauländisch- byzantinischer Einfluß spürbar, vor allem bei der Oberschicht. Im Grabfund der Dame von Mahlberg aus dem späten 5. Jahrhundert dokumentieren die goldenen Ohrringe und der Fingerring sowie der Silberlöffel Kontakte zum Mittelmeer- und Donauraum.
Bei Opfingen auf dem Tuniberg wurde ein Krieger bestattet, der erst im hohen Alter von etwa 52 Jahren verstorben ist. Durch seine Bewaffnung mit einer sogenannten Franziska (einer Wurfaxt), dem spitzkonischen Glasbecher und der silbertauschierten Gürtelschnalle weist er eine fast fränkische Grabausstattung auf. Möglicherweise diente er als alamannischer Söldner im fränkischen Heer zur Zeit des Königs Clodwig (482-511).
Die etwa gleichzeitigen Gräber mit sogenannten Goldgriffspathen, also ein Schwert mit einem goldblechverzierten Griff, gelten als Rangabzeichen der kriegerischen Elite. Von den 25 überwiegend im fränkischen und alamannischen Raum entdeckten Goldgriffspathen ist bisher keine im Breisgau entdeckt worden. Man kann hier von einer Forschungslücke ausgehen, zumal 1996 gleich drei Gräber mit Goldgriffspathen entdeckt wurden, eine in Bräunlingen und zwei in Villingendorf bei Rottweil. Bei dem Schwert von Bräunlingen ist allerdings kein Goldblech am Griff mehr vorhanden, jedoch zeigt das mit Edelsteinen besetzte Mundblech, daß dieses Schwert zur Gruppe der Goldgriffspathen gehört. Wo diese Schwerter hergestellt wurden, ist bisher nicht bekannt, jedoch kann man aufgrund der Qualität der damazierten Klinge sowie dem edelsteinbesetzten Goldbeschlag von königlichen Werkstätten im spätrömischen und byzantinischen Raum ausgehen.
Da die meisten Bestattungsplätze im alamannischen Raum um 500 nicht weiter belegt werden, wird vermutet, daß nach dem Sieg der Franken über die Alamannen in den Schlachten zwischen 496/97 und 506 die alamannische Oberschicht vertrieben worden ist oder unter den Schutz des Ostgotenkönigs Theoderichs nach Norditalien und in die Donauprovinzen flüchten mußte.
III. Neue Forschungen zur Archäologie der Merowingerzeit im Breisgau
Für die Gebiete östlich des Rheins sind historische Quellen aus der Merowingerzeit (ca. 500-700 nach Christus) in wesentlich geringerem Umfang vorhanden, so daß man lange Zeit auch von den sogenannten "dunklen Jahrhunderten" gesprochen hat. Seit dem Beginn der archäologischen Erforschung von Reihengräberfeldern wie in Ebringen durch Heinrich Schreiber 1825/26 hat sich das Wissen über die Merowingerzeit in Südwestdeutschland, vor allem durch die zahlreichen Grabfunde, deutlich vermehrt.
Um 500 und in die erste Hälfte des 6. Jahrhunderts fällt der Belegungsbeginn der ersten großen Gräberfelder im Breisgau, wozu die Gräberfelder von Sasbach, Eichstetten, Buggingen, Mengen und Bad Krozingen gehören. Es fällt auf, daß nun weniger die römische Infrastruktur als die Lage der Gräberfelder und Siedlungen auf den fruchtbarsten Böden eine entscheidende Rolle spielt. Dabei bedingte die überwiegend landwirtschaftlich ausgerichtete Wirtschaftsweise die Bevorzugung der Löß- und Schwemmlößbereiche an den Talausgängen von Kaiserstuhl, Tuniberg und in der Vorbergzone des Schwarzwaldes. Obwohl die Siedlungsplätze zu den meisten Gräberfeldern im Breisgau nicht bekannt sind, ist wahrscheinlich, daß sie nicht weit entfernt lagen.
Zunächst ging man davon aus, daß die merowingischen Siedlungen im Bereich der heutigen Dörfer liegen und deshalb nur schwer zu finden sind, da viele der heutigen Orte bereits im 8. Jahrhundert in den Urkunden genannt sind und auf merowingische Gründungen zurückgehen. Daß dem nicht unbedingt so ist, hat die gut erforschte Gemarkung von Mengen am Tuniberg gezeigt. Dort wurden 1973/74, als die Ausgrabungen im Gräberfeld fortgeführt wurden, auch gleichzeitige Siedlungsfunde im Neubaugebiet südlich von Mengen entdeckt. Neben der bereits erwähnten frühalamannischen Siedlungsphase wurden auch zahlreiche Befunde und Funde von der 2. Hälfte des 6. Jahrhunderts bis zum 11. Jahrhundert entdeckt. Es wurden jedoch keine Spuren von Pfostenstellungen der Hausbauten, sondern nur die in die Erde eingetieften Grubenhäuser entdeckt, die als Nebengebäude, u.a. als Webhütten, zu jedem Gehöft gehören. Die Standorte der Gehöfte verlagern sich in jeder Siedlungsphase, da die Gebäude aus Holzpfosten mit Flechtwerkwänden bestanden, mußten sie alle 30 bis 50 Jahre neu errichtet werden. Die neuen Gebäude wurden neben den baufälligen alten Gebäuden errichtet, wodurch sich ein Siedlungsplatz wie in Mengen im Laufe der Zeit verlagern kann.
Erst im Zuge der entwickelten Grundherrschaft und mit der Steinbauweise wurden die Siedlungsplätze ortskonstant bis heute.
Neben den in jeder Siedlung zur Selbstversorgung üblichen Handwerken wie Eisenschmiede, Töpferhandwerk, Textilhandwerk und Knochenverarbeitung fanden sich in der Mengener Siedlung auch Gußtiegel mit Bronzeresten und Schlacken, die auf Buntmetallverarbeitung hinweisen. Da man Buntmetallverarbeitung bisher nur im herrschaftlichen Umfeld nachweisen konnte, stellt sich die Frage, welche Stellung die Siedlung von Mengen in der Merowingerzeit einnahm. Von Wohlstand zeugen auch die reichen Beigaben im großen Reihengräberfeld von Mengen wie beispielsweise silbervergoldete Fibeln mit Almandineinlagen und zahlreiche Trinkgläser, die in dieser Zeit sehr wahrscheinlich ebenfalls im fränkischen Reich produziert wurden.
Ungewöhnlich sind auch einige Beigaben des 1997 am nördlichen Ortsrand von Bad Krozingen entdeckten Gräberfeldes. Vor allem die ältesten Gräber aus der Zeit um 500 nach Christus dokumentieren deutliche Bezüge zum fränkischen Reich. Dazu gehört das antik beraubte Männergrab 33 mit der im Grab verbliebenen Franziska und einem Taschenbügel mit flächendeckendem Glasbesatz in Zellwerk, der die wertvolleren Taschenbügel aus Gold mit Almandineinlagen nachahmt. Man kann in Bad Krozingen von einem der frühesten Stützpunkte der fränkischen Herrschaftssicherung ausgehen, der direkt an der römischen Straße von Basel nach Mainz auch schon zur römischen Zeit erhebliche verkehrspolitische Bedeutung hatte.
Die im 7. Jahrhundert im südlichen Breisgau weit verbreitete Sitte, die Toten nicht nur in Holzsärge, sondern zudem in trocken gemauerten Steinkisten zu bestatten, konnte auch im Gräberfeld in Biengen festgestellt werden. Einzigartig sind dagegen die sorgfältig gebauten Steinkisten, deren Innenseiten mit Mörtel verstrichene Wände aufweisen. Der Boden einer Grabkammer war mit römischen Hypokaustziegeln ausgelegt. Vermutlich wurden diese aus den teilweise noch sichtbaren römischen Ruinen von Bad Krozingen geholt. Die Steinkisten versuchten offensichtlich die im fränkischen Reich weit verbreitete Sitte der Steinsarkophagbestattung nachzuahmen.
Noch nicht ganz geklärt ist die Bedeutung des Münsterbergs von Breisach in der Merowingerzeit, da er erst wieder im Jahre 938 in den historischen Quellen genannt wird, als der westfränkische König Ludwig hier urkundet. Vermutlich kam der Berg nach 496 als ehemaliges Fiskalgut in den Besitz des fränkischen Königs, da die strategische Bedeutung des Platzes entscheidend für die Sicherung der beiden Rheinufer war. Neuerdings ist anhand der Funde aus den Ausgrabungen von 1980-86 eine kontinuierlichen Besetzung des Breisacher Münsterberges nachzuweisen. Es ist anzunehmen, daß hier ein fränkisches Kastell mit administrativen Funktionen bestand, welches durch die wahrscheinlich noch bestehende spätantike Befestigung gesichert war.
Vermutlich steht die erneute Besiedlung der Höhensiedlungen im 7. Jahrhundert - wie beispielsweise auch der Zähringer Burgberg - im Zusammenhang mit dem sich neu entwickelnden Machtstreben der alamannischen Elite gegenüber der fränkischen Königsmacht. Die Eigenständigkeitsbestrebungen der alamannischen Herzöge werden in der Folge bei dem Gerichtstag von Cannstatt (746) endgültig durch die karolingische Königsmacht unterdrückt.
Literatur
- Ch. Bücker (1999): Frühe Alamannen im Breisgau. Untersuchungen zu den Anfängen der germanischen Besiedlung im Breisgau während des 4. und 5. Jahrhunderts nach Christus. Archäologie und Geschichte. Freiburger Forschungen zum ersten Jahrtausend in Südwestdeutschland Bd. 9 (Sigmaringen 1999).
- Die Alamannen (1997): Ausstellungskatalog hrsg. vom Archäologischen Landesmuseum Baden-Württemberg (Stuttgart 1997).
- G. Fingerlin (1998): Bräunlingen, ein frühmerowingischer Adelssitz an der Römerstraße durch den südlichen Schwarzwald. In: Archäologische Ausgrabungen in Baden-Württemberg 1997 (Stuttgart 1998) 146-148.
- M. Hoeper, Alamannische Besiedlungsgeschichte im Breisgau. Reihengräberfelder und Gemarkungsgrenzen. In: H.U. Nuber/K. Schmid/H. Steuer/Th. Zotz (Hrsg.): Römer und Alamannen im Breisgau. Archäologie und Geschichte. Freiburger Forschungen zum ersten Jahrtausend in Südwest-deutsch-land Bd. 6 (Sigmaringen 1994) 9-124.
- M. Schmaedecke (1992): Der Breisacher Münsterberg. Topographie und Entwicklung. Forsch. u. Ber. z. Arch. d. Mittelalters in Baden-Württemberg Bd. 11 (Stuttgart 1992).