Römische Reiterkasernen und alamannisches Gehöft

Neue Ausgrabungen im Kastell Heidenheim an der Brenz

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Zwischen 80 und 100 n. Chr. wurde die Nordgrenze der Provinz Raetia auf die Schwäbische Alb vorgeschoben, deren Gebirgsübergänge man durch Kastelle sicherte. Eine strategische Schlüsselposition besetzte das Kastell Heidenheim / Aquileia(?): es sperrte das Brenztal - für Freund und Feind die direkteste Albpassage. Bis zum Bau des Limes um 160 n. Chr. war hier mit der ala II Flavia pia fidelis milliaria, einem Reiterregiment von 1000 Mann, die stärkste und ranghöchste Einheit Raetiens stationiert.

Seit Sommer 2000 werden Grundrisse hölzerner Innenbauten im Nordwestviertel des Militärlagers erforscht. Im Zentrum der diesjährigen Ausgrabungen steht eine über 20 m breite und einst rund 70 m lange Doppelbaracke, die in Soldatenunterkünfte (contubernia) und Pferdeställe zweier Reiterzüge (turmae) unterteilt war. Im Norden schließt das Grabungsareal 2000/ 2001 unmittelbar an bereits 1965/66 untersuchte Kasernenbauten an, im Süden (außerhalb des Bildausschnitts) konnte eine weitere Baracke teilweise aufgedeckt werden.

Die bis zu 3 Fuß (ca. 60 cm) tiefen Fundamentgräben nahmen Tragepfeiler auf, die vermutlich in Blockbautechnik miteinander verbunden waren. Die Abmessungen der einphasigen Fundamentkonstruktion lassen an ein zweigeschossiges, basilikales Gebäude denken. Jaucherinnen weisen die äußeren, straßenseitigen Raumzeilen als Pferdeställe aus. Die beiden inneren Raumzeilen dienten als Mannschaftsquartiere, worauf Feuerstellen aus Ziegelplatten und einzelne Vorratsgruben schließen lassen. Rechnet man mit vier Mann pro contubernium, deckten die 17 m² großen Stuben den Platzbedarf der Reiter jedoch kaum (Küche, Betten, Abstellplatz für Waffen und Reitausrüstung). Die Schlafräume dürften sich daher im ersten Stock befunden haben. Am östlichen Flächenrand gelang die Abgrenzung zum anschließenden Kopfbau (unter der heutigen Straße).

Den Langseiten der Baracke waren überdachte Säulengänge (porticus) vorgebaut. Hier befanden sich holzverschalte Gruben, die wahrscheinlich mit Falltüren verschließbar waren. Ihre Funktion (Zwischenlager für Pferdemist?) ist noch ungeklärt. Da sie mit Abbruchschutt der Baracke einplaniert waren, steht fest, dass sie bis zuletzt offenstanden. Anders verhält es sich mit zahlreichen Gruben im Hofareal zwischen den Baracken: einige werden von den Porticuspfosten geschnitten, so dass sie aus der Frühzeit des Kastells ("Zeltphase"?) stammen müssen.

Um 160 n. Chr. wurde die Ala in das ca. 30 km entfernte Aalen vorverlegt. Das Heidenheimer Kastell wurde systematisch abgebrochen, und der Baugrund sorgfältig eingeebnet, indem man den Schutt in offenstehende Gruben und in Löcher der teilweise aus dem Boden gezogenen Pfosten einplanierte. Mit Kalkmörtel verputzter Fachwerklehm, Fragmente von Dach- und Heizröhrenziegeln sowie wenige Fensterglasscherben zeugen vom Aufgehenden. Der gründlichen Räumung des Areals entspricht das bescheidene Fundmaterial.

Obwohl der Kastellvicus bis zur Aufgabe des Limesgebietes fortbestand, ist eine spätere Überbauung des nördlichen Kastellareals nicht nachweisbar. Erst im 4. Jahrhundert errichteten alamannische Siedler an der Stelle der vormaligen Doppelbaracke ein dreischiffiges Holzhaus, durch charakteristische Pfostengruben nachgewiesen (zu Füßen des Holzschuppens, erste Abb. links). Damals scheint hier ein Gehöft bestanden zu haben.

Literatur

  • G. Balle, Neues zum Reiterkastell Heidenheim. Arch. Ausgrabungen Baden-Württemberg 2000, 90-94.
  • R. Sölch, Die Topographie des römischen Heidenheim. Forsch. u. Berichte Vor- u. Frühgesch. Baden-Württemberg 76 (Stuttgart 2001).