Koptische Lauten
Saiteninstrumente des 3. - 8. Jh. n. Chr. aus Ägypten
Wenn sich Archäologen mit den Überresten musikalischer Äußerungen beschäftigen, werden diese häufig als Mittel zur Erkenntnis anderer kultureller Phänomene verwendet, die z.B. sozialen, ökonomischen, politischen oder religiösen Lebensbereichen zuzuordnen sind. Über die Musik selbst, die einst in jenen Bereichen erklang, wird kaum gehandelt, da man sie ja ohnehin nicht rekonstruieren kann. Was zunächst einleuchtet, erweist sich bei eingehenderem Studium als Problem. Zwar wird es kaum möglich sein, die Musik der Antike zur Aufführung zu bringen, die in zahlreichen Ausgrabungen geborgenen Instrumente aus unterschiedlichen Teilen der Welt erlauben aber immerhin, mit Erfolg über ihr Klangpotential sowie in Ausnahmefällen über die Größe musikalischer Intervalle, den Tonvorrat einzelner Instrumente oder Tonleitern zu handeln. Die systematische Erforschung derartiger Themen führt mitunter zu erstaunlichen Resultaten, vor allem dann, wenn es gelingt, die rekonstruierten Tonverhältnisse experimentell anzuwenden und u.U. neue musikalische Felder zu erschließen. Zu den Ausnahmefunden im antiken Instrumentarium zählen z.B. Lithophone, Metallophone, Glockenspiele, Blasinstrumente oder Seitenintrumente, vor allem Lauten, wenn sie mit Bünden versehen waren.
Aus der Zeit des 3. bis 9. Jh. n. Chr. sind sieben einst bebundete Langhalslauten bekannt (Abb. 1), die an unterschiedlichen Orten in Ägypten ausgegraben wurden, unter der Bezeichnung 'koptische Laute' in die Fachliteratur eingegangen sind - auch wenn nicht sicher ist, ob die Instrumente einst von Kopten erfunden, gebaut oder gespielt wurden - und in verschiedenen Museen aufbewahrt werden (Kairo, Grenoble, München, Heidelberg, Göttingen, New York). Drei Instrumente wurden in Gräbern gefunden, eines (Abb. 1, Nr. 1) gehörte zur Ausstattung des Grabes einer Prophetin im Osiris-Antinous-Kult (3. Jh. n. Chr.), die übrigen stammen aus dem Kunsthandel. Alle Instrumente waren aus einem Holzblock gefertigt und mit einer hölzernen Resonanzdecke verschlossen. Sie wurden zum Teil bereits in der Antike mehrfach repariert oder verändert und gelangten in unspielbarem Zustand in die Gräber (Abb. 2).
Die Instrumente repräsentieren zwei Konstruktionstypen, die sich durch die Korpusform und die Art der Bebundung unterscheiden. Die Resonanzschalen von Nr. 1 - 6 (Abb. 1) sind im Umriss abgestuft, spatenförmig und mit seitlichen Kerben oder Schlitzen versehen. Die im Querschnitt plankonvexen Hälse weisen unterschiedliche Serien von Griffpunktmarkierungen oder in Nuten eingelassene bzw. aufgeleimte hölzerne Halbbünde auf. Nr. 7 repräsentiert einen Lautentyp mit einem im Umriss vasenförmigen Corpus, der mit umwickelten Vollbünden ausgestattet war. Zu den gemeinsamen Merkmalen gehören drei Saiten, die oben an vorder- und diagonalständigen Wirbeln und unten an einem angeschnitzten Zapfen befestigt waren. Die einst beweglichen Stege sind nicht mehr erhalten. Das Instrument Nr. 7 wurde nachträglich von drei auf vier Saiten umgerüstet. Bei dreisaitigem Bezug bildeten zwei Saiten einen wahrscheinlich gleich gestimmten Chor ('Doppelsaite') auf der rechten Griffbrettseite, so dass insgesamt nur zwei spieltechnische Saiteneinheiten zur Verfügung standen. Im Falle der Instrumente Nr. 1 - 6 ist den beiden Saiteneinheiten jeweils eine eigene Bund- oder Griffpunktskala zugeordnet.
Die Länge der frei schwingenden Saiten (Mensur) beträgt im Falle der Instrumente Nr. 1 - 3 und 5 - 7 rekonstruiert 38 - 40 cm, wobei die Halsansatzstellen z.T. mit dem Oktavpunkt übereinstimmen. Die Lage der Bünde kann nach einem bestimmten musiktheoretischen Wissen und außermusikalischen Verfahren (äquidistante Streckenteilung) bestimmt worden sein. Z. B. kennzeichnen die rechtsseitigen Bünde der Instrumente 1 - 3 nur unwesentlich voneinander abweichende Intervallfolgen, für die Dreiviertelton- oder kleine Ganztonschritte charakteristisch sind. Ähnliche Intervallfolgen kennt man aus der spätantiken oder frühmittelalterlichen Musiktheorie, wie z.B. das diatonon homalon des Klaudios Ptolemaios (2. Jh. n. Chr.) oder die Leiter des persisch-arabischen maqam rast. Ikonographische Quellen bezeugen, dass in mehreren Merkmalen übereinstimmende Instrumente spätestens ab dem 5. Jh. n. Chr. auch außerhalb Ägyptens um das Mittelmeer herum bekannt waren, wie z.B. in Konstantinopel (Türkei) oder Quseir 'Amra (Jordanien; Mitte 8. Jh. n. Chr.; Abb. 3). Nach den bisherigen Untersuchungen kann man davon ausgehen, dass musiktheoretische Elemente der arabischen Musik (Dreiviertelton, 'neutrale Terz') bereits im 3. Jh. n. Chr., wenn nicht schon zur pharaonischen Zeit Ägyptens, bekannt waren, worauf Bundabdrücke am Hals einer Laute aus der 18. Dynastie (16. - 14. Jh. v. Chr.) hinweisen.
Literatur
- Burzik, Monika, Quellenstudien zu europäischen Zupfinstrumentenformen. Methodenprobleme, kunsthistorische Aspekte und Fragen der Namenszuordnung. Kölner Beiträge zur Musikforschung 187, Kassel 1996, 62ff.
- Eichmann, Ricardo, Koptische Lauten. Eine musikarchäologische Untersuchung von sieben Langhalslauten des 3. - 9. Jh. n. Chr. aus Ägypten. Deutsches Archäologisches Institut, Abteilung Kairo, Sonderschrift 27 (Mainz 1994).
- Ders., Musik in Geschichte und Gegenwart 5 (1995) 943 - 951, 987, s.v. Lauten B. Antike.
- Ders., Strings and Frets. In: Hickmann, E., Eichmann, R., Studien zur Musikarchäologie I. Orient-Archäologie 6 (Rahden/Westf. 2000).
- Ders., Präliminarien zur Rekonstruktion altorientalischer Lautenklänge.In: Monumentum Marcelle Duchesne-Guillemin, Acta Iranica 34, 1999, 505 - 515.
- Vendries, Chrisophe, Instruments à cordes at musiciens dans l´Empire Romaine. Ètude historique et archéologique (IIe siècle av. J.-C./ Ve siècle ap. J.-C.) (Paris 1999), 117 ff.