Der bronzezeitliche Goldschmuck aus dem bayrischen Bernstorf steht wegen der extrem hohen Reinheit des Metalls im Verdacht, gefälscht zu sein. In diesen Verdacht ist die gleichfalls bronzezeitliche Goldscheibe aus Moordorf (Ostfriesland) im Landesmuseum Hannover geraten, deren außergewöhnlich hoher Goldgehalt ebenso als Hinweis auf eine mögliche Fälschung gedeutet wird.
Um der Diskussion eine wissenschaftliche Grundlage zu verschaffen, haben das Landesmuseum Hannover und das Niedersächsische Landesamt für Denkmalpflege am 20.2.2016 eine Fachtagung über die berühmte Goldscheibe von Moordorf veranstaltet. Auf dem ganztägigen Workshop legten Fachleute verschiedener Disziplinen ihre Untersuchungsergebnisse zu diesem bedeutenden Exponat vor, das 1926 vom Landesmuseum angekauft worden ist und als besonders bemerkenswertes Objekt des Sonnenkultes über Niedersachsen hinaus gilt. Am Ende der Tagung zeichnete sich keine Einigung ab, denn die beteiligten Disziplinen gelangten zu unterschiedlichen Bewertungen der Echtheit.
Neue Bestimmungen der Goldzusammensetzung in zwei unterschiedlichen Labors, namentlich des Instituts für Anorganische Chemie der Leibniz-Universität Hannover (Robert Lehmann) und des Curt- Engelhorn-Zentrum für Archäometrie Mannheim (Ernst Pernicka), bestätigten den sehr hohen Goldgehalt der Moordorfer Scheibe. Da so reines Gold in der Natur nicht vorkommt und Verfahren zur Goldreinigung erst ab dem 6. Jh. v.Chr. belegt sind, beziffert Ernst Pernicka die Wahrscheinlichkeit einer neuzeitlichen Goldlegierung für die Moordorfer Scheibe mit 70%.
Archäologische Untersuchungen von Spezialisten zur Herstellung und Verzierung derartiger Goldfunde aus der Bronzezeit (in Niedersachsen ca. 2200-750 v.Chr.) gelangten hingegen zu dem Schluss, dass die Goldscheibe eine Arbeit aus der Bronzezeit und insofern mit sehr hoher Wahrscheinlichkeit echt ist. Aufgrund spezifischer Herstellungund Lagerungsspuren, die an der Scheibe zu beobachten sind, konnte Stephan Veil vom Landesmuseum Hannover eine authentische Biographie entwerfen. Alle technischen Merkmale stimmen mit bekannten bronzezeitlichen Goldfunden überein, berichtete Barbara Armbruster aus Toulouse. Wolfgang David vom Keltenmuseum Manching unterstrich in einer Analyse die bronzezeitliche Stilistik der Ornamente und die Einmaligkeit der Komposition.
Die spannende Entdeckungsgeschichte des Fundes, die das Landesmuseum schon in den 1920er Jahren recherchiert hat, widerspricht der Echtheitsthese nicht, kann sie aber auch nicht beweisen. Neil Wilkin vom Britischen Museum in London, dem die Scheibe bereits 1920 angeboten worden war, aber einen geringeren Preis zahlen wollte, stellte die Entscheidung in den Kontext damaliger Ankaufspraxis.
Weitere Spezialuntersuchungen wie die Datierung von Bodenspuren an der Scheibe sollen dieses Dilemma klären helfen. Die Tagungsbeiträge sollen ausführlich in der archäologischen Fachzeitschrift »Die Kunde« des Landesmuseums Hannover publiziert werden.