Die flächendeckenden archäologischen Untersuchungen im Vorfeld des Neubaus der ICE-Strecke Erfurt - Leipzig / Halle, die vor kurzem abgeschlossen wurden, haben zahlreiche neue Erkenntnisse zur Vor- und Frühgeschichte Mitteldeutschlands erbracht. Nahe des Dorfes Wennungen an der Unstrut legten die Archäologen des Landesamts für Denkmalpflege und Archäologie Sachsen-Anhalt auf einem durch zwei Steilabfälle geschützten Plateau einen Siedlungsplatz frei, der wegen seiner günstigen Lage seit dem ausgehenden Neolithikum immer wieder besiedelt wurde. Die Wissenschaftler stießen auf Siedlungsreste der Kultur mit Schnurkeramik (2.800 - 2.100 v.Chr.), der frühbronzezeitlichen Aunjetitzer Kultur (2.200 - 1.600 v.Chr.) und der Mittleren Bronzezeit (1.600 - 1.200 v.Chr.). Der Großteil der Befunde ist allerdings dem Horizont der Späten Bronze- und Frühen Eisenzeit (ca. 1.200 - 500 v.Chr.) zuzuordnen.
Es handelt sich um eine riesige Siedlung, von der im Rahmen der Trassengrabung etwa 10% der Gesamtfläche freigelegt werden konnten. Auf einer Länge von 700 m am nordöstlichen Ende der Grabungsfläche zeugen von ihr mehr als 3.000 Siedlungsgruben. Das Inventar der Gruben erlaubt es, die Siedlung näher zu charakterisieren: Neben Nachweisen für Keramikproduktion und Textilverarbeitung fanden sich auch Belege für Salz- und Metallverarbeitung in Form von Briquetage und Gussformen. Da weder die Metall- noch die Solegewinnung vor Ort möglich war, müssen die Bewohner der Siedlung weit verzweigte Handelskontakte gepflegt haben. Eine dieser regionsübergreifenden Handelsrouten zwischen dem »Thüringer Becken« und der »Halle-Leipziger Tieflandbucht« ist im heute noch bekannten Verlauf der mittelalterlichen Kupfer-Wein-Strasse über das Wennunger Plateau belegt.
Nicht nur die verkehrsstrategisch günstige Lage, auch die Reste dreier Befestigungsriegel sprechen dafür, dass die Siedlung einst hoch bedeutsam gewesen sein muss. Über das Doppelgrabensystem mit Toranlage und mächtigem Wassergraben am nordöstlichen Ende der Siedlung ist der Zugang vom Unstruttal auf die Hochebene zu jener Zeit kontrolliert worden.
In nur etwa 280 m Entfernung von dieser Torsituation wurde 2009 eine Siedlungsgrube geöffnet, die sich an der Oberfläche nicht von den tausenden ähnlichen, bereits freigelegten Befunden abhob. Diese Gruben wurden vermutlich primär zur Speicherung von Getreide angelegt und sind nach der Entnahme des Speicherguts zügig mit »Abfall« wie unbrauchbarer Keramik und Tierknochen vergangener Mahlzeiten, aber auch den Resten zerstörter Gebäude verfüllt worden.
Bei der Anlage des Profils allerdings offenbarte sich den Ausgräbern Spektakuläres: Bereits mit bloßem Auge war auf den Fragmenten eines Lehmverputzes leuchtend rote Bemalung zu erkennen. Nahezu 200 kg Lehmreste eines eisenzeitlichen Gebäudes (Stufe Ha D; um 600 v. Chr.) konnten dem Befund entnommen werden.
Dazu zählen über 1.500 Fragmente einer einstigen Wand aus Flechtwerk, die zu beiden Seiten mit bemaltem Lehmputz verstrichen worden war. Nicht nur der Erhaltungszustand der Fragmente – resultierend aus der Einbringung in den Lössboden und der geringen Jahresniederschlagsmenge vor Ort – ist exzellent, auch die Qualität des Verputzes und der Malerei ist für die Eisenzeit in Zentraleuropa bislang einzigartig. Dieser Befund liefert somit den lang erhofften archäologischen Beleg für die großflächige, auch kleinteilige Bemalung von Gebäuden. Das Gebäude, das diese Wand vermutlich einst als repräsentative Front zierte, muss sich in der näheren Umgebung der Grube befunden haben und nimmt somit auch innerhalb der Siedlung, nahe des Zugangs auf einer kleinen Anhöhe gelegen, eine herausragende Stellung ein.
Diese hochwertige, detailreiche Bemalung aus der Mitte Deutschlands, weit entfernt von »hallstattzeitlichen Fürstensitzen« oder »Herrenhöfen« im Süden, die derartige Funde durchaus erwarten lassen, spricht einmal mehr für die zentrale Bedeutung der Siedlung von Wennungen.
Die bemalten Fragmente werden seit Mitte 2009 in der Restaurierungswerkstatt des Landesmuseums für Vorgeschichte Halle (Saale) dokumentiert und Teilstücke in kleinteiliger Puzzlearbeit zusammengesetzt. Die auf der Rückseite des Putzes erhaltenen Abdrücke des vergangenen horizontalen hölzernen Geflechts – eine Technik die auch heute noch bei Fachwerkbauten zum Einsatz kommt – ermöglichen hierbei die Anordnung der Motive an der aufgehenden Wand. Ab 2012 wird die rekonstruierte Motivabfolge im nächsten Teil der Dauerausstellung des Landesmuseums für Vorgeschichte Halle zu sehen sein; das in den Rekonstruktionen prähistorischer Häuser noch immer gegenwärtige Bild der „grauen Vorzeit“ somit bedeutend farbenfroher.