Der kostbare Kamm zählt zur Gruppe der sogenannten liturgischen Kämme. Von diesen sind aus der Zeit zwischen 800 und 1200 nach Christus bislang nur 60 Exemplare europaweit gefunden wurden. Ob sie tatsächlich nur bei kirchlichen Bräuchen zum Einsatz kamen, ist fraglich.
»Die Holsterburg bei Warburg ist nicht nur für Westfalen einzigartig. In Europa gibt es nur wenige oktogonale Burgen von dieser Qualität - und keine im Norden«, erklärt Dr. Hans-Werner Peine, Experte für Mittelalter- und Neuzeitarchäologie beim LWL. Deshalb bildet sie seit sieben Jahren einen der Arbeitsschwerpunkte der LWL-Archäologie für Westfalen. Bei den aktuellen Ausgrabungen fanden Archäologen das Fragment eines kostbaren einteiligen Doppelkammes aus Elfenbein.
Sowohl das wertvolle Material als auch die qualitätsvolle Ausführung des Holsterburg-Kammes lassen auf einen liturgischen Kamm schließen zu. »Ihn hebt jedoch zusätzlich hervor, dass er nachweislich nicht dem sakralen Milieu entstammt, sondern aufgrund seines Fundortes und seiner Bildmotive eindeutig für einen adeligen Käufer gefertigt wurde«, erklärt Peine.
Der Holsterburg-Kamm weist in seinem rechteckigen Mittelteil beidseitig ein kunstvoll gearbeitetes Bildmotiv auf. Vergleichbare Elfenbeinkämme gehören in der Regel in den Bestand von Kirchenschätzen. Oft werden sie mit Heiligen oder Bischöfen in Verbindung gebracht, gelegentlich aber auch Königen zugeschrieben.
Ihr Gebrauch in liturgischen Handlungen ist durch Schriftquellen seit dem 10. Jahrhundert nachweisbar, so zum Beispiel bei der Weihe von Bischöfen und Priestern. Auch wurden mit ihnen nach dem Anlegen der Messgewänder die Haare geordnet. Dies war gleichsam eine symbolische Handlung zur Ordnung der Gedanken im Hinblick auf das heilige Messgeschehen.
»Derartige liturgische Kämme lassen sich selten in kirchlichen Schatzkammern nachweisen. Noch seltener aber sind Elfenbeinkämme mit Bildmotiv im profanen Bereich«, erklärt Grabungsleiter Kim Wegener. Das Fragment des ehemals hochrechteckigen Holsterburg-Doppelkammes ist maximal 7,1 Zentimetern breit, die Zähne sind in weiten Bereichen abgebrochen.
Der rechteckige Mittelteil des Doppelkammes zeigt zwei rechteckige Bildfelder mit im Flachrelief herausgearbeiteten Motiven. Auf der einen Seite findet sich eine Jagdszene, in der ein Hund einen ebenfalls im Sprung befindlichen flüchtenden Hasen schlägt. Das Bildfeld der anderen Seite zeigt zwei aufeinander zuschreitende und sich im Brustbereich berührende Pfauen.
Die Archäologen konnten den Doppelkamm auf das dritte Viertel des 12. Jahrhunderts datieren. Der Kamm dürfte sich damals im Besitz der Edelherren von Holthusen, den Bauherren der Holsterburg, befunden haben. Er ist aus einem Elefantenstoßzahn gefertigt. »Ob dies im Mittelmeerraum, eventuell im Byzantinischen, geschah oder in einer Werkstatt nördlich der Alpen, etwa in Metz, Lüttich oder Köln, bleibt noch zu klären«, so Wegener.