Natürlich - die Bilder der Plünderungen in den irakischen Städten müssen blankes Entsetzen auslösen. Fast könnte man fragen: Und dazu wurden sie befreit? Da war uns offenbar die Ordnung vorher schon lieber - auch wenn sie von einer drakonischen Diktatur durchgesetzt worden war. Aber solche sarkastischen Betrachtungen wollte ich eigentlich gar nicht anstellen. Obwohl…In der Tat kann man manches nur noch sarkastisch sehen - so aberwitzig wechseln die Szenen. Und die Argumente, mit denen wir darauf reagieren.Warum verhindern "die Amerikaner" nicht die Plünderungen? Warum sichern sie nicht die innere Ordnung im Irak? - Wenn ich es recht sehe, führt die amerikanische Armee - for better or worse - dort immer noch einen Krieg, in dem zwar der endgültige Sieg für jeden von uns Schreibtisch-Strategen klar abzusehen ist, aber eben noch nicht errungen wurde. Was diese Soldaten mit ihren Waffen können, das ist: Krieg führen gegen andere Soldaten und Armeen. Schon bei einem partisanenhaften Häuserkampf würden sie hemmungslos unterlegen sein. Ja, und dann hatten wir vor gerade zehn Tagen noch prognostiziert (ich bekenne mich mitschuldig!), sie - "die Amerikaner" - würden mit viel zu schwachen Kräften in ein viel zu langes, quälendes Kriegsringen gezogen.Kaum haben wir uns darin geirrt, wissen wir anschließend um so sicherer, dass es ein leichtes sein muss, in einer Hand voll von Groß- und größeren Städten die innere, zivile Ordnung zu wahren - und zwar mit Soldaten, die einerseits noch einen Krieg zu Ende führen, die andererseits aber viel zu wenig sind - schon für ihre eigentliche Aufgabe.Und dann hatten wir doch auch gesagt: Die Amerikaner sollten den Irak so schnell wie möglich wieder verlassen. Jetzt reden wir in einer Weise, die - ohne, dass wir uns dies eingestehen - voraussetzt, dass sie noch sehr lange bleiben. Denn bevor die zivile Verwaltung steht, die das leisten soll, was nicht einmal "die Amerikaner" derzeit leisten (können), wird noch viel Zeit ins Land gehen.Damit wir uns nicht falsch verstehen - folgendes bleibt davon unberührt richtig: Wer einen solche Krieg, gegen das Völkerrecht, beginnt, muss alle gewollten und ungewollten Folgen verantworten: die zivilen Opfer ebenso wie das zivile Chaos - und noch einiges mehr… Aber manchmal kommt es mir vor, als gefielen wir Deutschen (wenn man so pauschal überhaupt reden darf), die wir hier ja nichts zu verantworten haben (wie schön!), die anderen als die Schuldigen fast ein wenig lustvoll vor uns her in unserer moralischen Unangreifbarkeit. Irgendetwas machen sie immer falsch, auch wenn es gestern das Gegenteil war.Das erste Opfer des Krieges, so heißt es, sei die Wahrheit. Manchmal, so befürchte ich, gehört zu den Opfern auch ein einigermaßen klares, konstantes Urteilsvermögen. Wenn es denn zuvor vorhanden war. Warten wir auf unseren nächsten Irrtum. Wenn wir ihn denn erkennen - und vielleicht sogar einräumen.