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Plünderungen im Irak Die Suche nach dem geraubten Kulturschatz

Bei den Plünderungen im Irak verschwanden Kulturgüter von unschätzbarem Wert, darunter auch vergoldete Waffen aus dem Privatbesitz der Despoten. Während erste Schätze bereits in Europa aufgetaucht sind, startet die Unesco gemeinsam mit Interpol die Fahndung.
Dieser Beitrag stammt aus dem SPIEGEL-Archiv. Warum ist das wichtig?

London/Bagdad - Eine vergoldete Maschinenpistole aus dem Arsenal der Herrscherfamilie wurde inzwischen nach britischen Medienberichten am Londoner Flughafen Heathrow sichergestellt. Die geladene Kalaschnikow AK47 war nach Ermittlungen der Polizei zusammen mit einem Granatwerfer, einem Präzisionsgewehr für Scharfschützen sowie sechs Bajonetten während des Irak-Krieges von einem US-Soldaten gestohlen worden, berichtete der "Daily Mirror" am Freitag. Der Soldat habe die Kriegstrophäen daheim verkaufen wollen.

Die Waffen wurden in einem Gepäckstück entdeckt, das mit einer Maschine aus Kuweit kam. Sie waren als Computerausrüstung deklariert. Die Alliierten hatten eine große Zahl vergoldeter Waffen in Palästen Saddams und seiner Söhne gefunden. Der Diktator hatte die wertvollen Waffen regelmäßig an seine treuesten Gefolgsleute verschenkt. "Es gibt einen blühenden Schwarzmarkt für Kriegstrophäen", wird ein britischer Experte zitiert.

Nach Angaben des stellvertretenden Unesco-Generaldirektors für Kultur, Mounir Bouchenaki, tauchten auch erste Stücke aus dem Irak in Frankreich auf.

Den Handel mit verschwundenen irakischen Kunstgegenständen einzudämmen, hat sich nun auch Interpol zur Aufgabe gemacht. Am Freitag startete die internationale Polizeibehörde eine weltweite Fahndung nach den aus irakischen Museen gestohlenen Kulturgütern. Beamte würden sobald wie möglich nach Bagdad reisen, um festzustellen, was genau während des Zusammenbruchs des Herrschaft von Präsident Saddam Hussein gestohlen wurde.

"Interpol fordert Organisationen und Institutionen, die sich mit der Erhaltung und dem Handel von Kunstgegenständen befassen auf, kategorisch alle ihnen angebotenen Kulturgüter aus dem Irak abzulehnen", sagte der Interpol-Experte für geraubte Kunst- und Kulturgüter, Karl-Heinz Kind. Bei Zweifel über die Herkunft bestimmter Stücke sollten diese Organisationen Kontakt mit Interpol aufnehmen und Expertenrat zur Identifizierung von zum Kauf angebotener Gegenstände einholen.

Mit einer Resolution des Weltsicherheitsrats will die Unesco den weltweiten Ausverkauf der bei Plünderungen gestohlenen irakischen Kulturgüter stoppen. Die Vereinten Nationen sollten für einen Übergangszeitraum den Handel mit Objekten aus Irak international verbieten, forderte der Generaldirektor der Uno-Organisation für Bildung, Wissenschaft und Kultur, Koichiro Matsuura, in Paris.

Aus Protest gegen die laxe Haltung der US-Truppen, die nicht gegen Plünderer im Bagdader Nationalmuseum für Altertümer vorgegangen waren, sind inzwischen drei Kulturberater des Weißen Hauses zurückgetreten. Sie warfen den US-Streitkräften Versagen beim Schutz der Kunstschätze vor. Martin Sullivan, der Vorsitzende der Beratungskommission für Kulturgut, erklärte: "Wegen der Untätigkeit unserer Nation konnte die Tragödie nicht verhindert werden." Präsident George W. Bush habe die zwingende moralische Verpflichtung gehabt, eine solche Plünderung und Zerstörung zu vermeiden. Die Regierung habe nicht auf die Ratschläge der Wissenschaftler gehört.

Auch der amerikanische Professor McGuire Gibson von der Universität Chicago äußerte sich am Donnerstag auf einer Unesco-Konferenz in Paris enttäuscht über die US-Truppen. Er habe das Militär vor dem Krieg auf die Gefahren hingewiesen, doch hätten die Streitkräfte andere Prioritäten gehabt. Neben spontanen Plünderungen habe es auch organisierte und ganz offenbar von außerhalb Iraks gesteuerte Diebstähle gegeben, sagte der Präsident der amerikanischen Forschungsvereinigung in Bagdad.

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